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Wenn wir das "Heute" und unsere Gegenwart verstehen wollten, müssen wir uns mit dem "Gestern" - der Geschichte unserer Vergangenheit und deren Menschen befassen, die sie durchlebten, die vor uns gingen und das Fundament für unser heutiges Verstehen und Leben legten.
(Der WebAdmin)
Adalbert Stifter (1805-1868): Auszug aus - Vorrede zu den Bunten Steinen (Herbst 1853)
Wie in der Geschichte der Natur die Ansichten über das Große sich stets geändert haben, so ist es auch in der sittlichen Geschichte der Menschen gewesen. Anfangs wurden sie von dem Nächstliegenden berührt, körperliche Stärke und ihre Siege im Ringkampfe wurden gepriesen, dann kamen Tapferkeit und Kriegesmut, dahin zielend, heftige Empfindungen und Leidenschaften gegen feindselige Haufen und Verbindungen auszudrücken und auszuführen, dann wurde Stammeshoheit und Familienherrschaft besungen, inzwischen auch Schönheit und Liebe so wie Freundschaft und Aufopferung gefeiert, dann aber erschien ein Überblick über ein Größeres: ganze menschliche Abteilungen und Verhältnisse wurden geordnet, das Recht des Ganzen vereint mit dem des Teiles, und Großmut gegen den Feind und Unterdrückung seiner Empfindungen und Leidenschaften zu Besten der Gerechtigkeit hoch und herrlich gehalten, wie ja Mäßigung schon den Alten als die erste männliche Tugend galt, und endlich wurde ein völkerumschlingendes Band als ein Wünschenswertes gedacht, ein Band, das alle Gaben des einen Volkes mit denen des andern vertauscht, die Wissenschaft fördert, ihre Schätze für alle Menschen darlegt und in der Kunst und Religion zu dem einfach Hohen und Himmlischen leitet.
Wie es mit dem Aufwärtssteigen des menschlichen Geschlechtes ist, so ist es auch mit seinem Abwärtssteigen.
Untergehenden Völkern verschwindet zuerst das Maß.
Sie gehen nach Einzelnem aus, sie werfen sich mit kurzem Blicke auf das Beschränkte;
dann suchen sie den Genuß und das Sinnliche,
sie suchen nach Befriedigung ihres Hasses und Neides gegen den Nachbar,
in ihrer Kunst wird das Einseige geschildert, das Zerfahrene, Unstimmende,
Abenteuerliche,
endlich das Sinnereizende, Aufregende und zuletzt die Unsitte und das Laster. Der Unterschied zwischen Gut und Böse verliert sich und so wird das Volk eine Bute seiner inneren Zerwirrung oder eines äußeren kräftigen Feindes !