(Späte-) Neuzeit: (20. Jhdt.:)
„Tod und Leiden mahnen zum Frieden !
(Militärpfarrer Wolfgang Schulz in seiner Ansprache am 11. Mai 1984 in der Welfenkaserne)
Auf den Spuren der Geschichte im Raum Landsberg im 20.Jhdt.:
Unter diesem Motto hatte der Historische Verein Landsberg/Lech unter der Leitung der Präsidentin – Frau Knollmüller, zu einer Informationsfahrt am 17.03.2010 geladen, nachdem ein vorheriger Termin im Februar bereits restlos ausgebucht war. Ziel war es, Zeitzeugnisse aus der Landsberger Zeitgeschichte des 20.Jahrhunderts zu besuchen, und die Hintergründe dieser Geschehnisse dem interessierten Besucher näher zu bringen.
Der erste Vormittagstermin, war dem Besuch der Untertageanlage in der Welfenkaserne gewidmet. Oberstleutnant Dipl.-Ing.(FH) Gerhard Roletscheck, ein langjähriger Kenner der historischen Fakten, referierte vor dem Beginn der Führung anhand einer Power Point Präsentation über den Hintergrund und Zweck dieses in den letzten Kriegsmonaten fast fertig gestellten Bunkers. Um die deutsche Luftrüstungsindustrie vor den allgegenwärtigen alliierten Luftangriffen zu schützen war es geplant im Reichsgebiet 6 unterirdische bombensichere Flugzeugfabriken zu errichten. Drei dieser geplanten riesigen halbunterirdischen Bunker mit den Decknamen Diana II, Weingut II und Walnuß II sollten westlich von Landsberg errichtet werden. Unter der Aufsicht einer Oberbauleitung (OBL) mit dem Decknamen „Ringeltaube“ wurde das Bauprojekt von der Organisation Todt (OT) beaufsichtigt und durchgeführt. Die OBL war in 3 Baracken am Römerhang unterhalb des Krankenhauses, die Telefonvermittlung sowie Küche- und Lagerbaracken waren längs der Buchloer Straße untergebracht. Von hier aus hatten die Bauleiter die Aufsicht über die drei Bunkerbaustellen, den Bau von Gleistrassen für die Verbindung der Bunker mit der Reichsbahnstrecken nach Lindau-München bzw. Landsberg-Schongau, Errichtung von Fertigbetonbauteile Fabriken in Utting am Ammersee sowie in Friedheim und den Bau von Wohnungen bei Türkheim für die späteren Arbeiter in den Flugzeugfabriken. Insgesamt waren für den Bau große namhafte Firmen (L. Moll, Philip Holzmann, Karl Stöhr, Dykerhoff & Widmann und Held Franke) beauftragt worden welche zusammen mit der OT den Bau durchführten.
Im April 1944 verlegten die Baufirmen ihre Baumaschinen in Zugtransporten von Frankreich (Atlantikwall) nach Landsberg. Im Mai begannen die Rohdungsarbeiten an der Baustelle Weingut II im Frauenwald gefolgt von Diana II (heutige Kiesgrube Kohlhöfer an der Buchloer Str.) und Walnuss II (nördlich der Anschlussstelle B17 Igling-Kaufering). Beide Bauten wurden im Frühjahr 1945 eingestellt.
Zusätzlich zu den zivilen Bauarbeitern und den OT Leuten wurden noch Hilfsarbeiter benötigt. Diese wurden von der SS bereitgestellt man griff auf Häftlinge aus Konzentrationslager zurück. Im Gegenzug mussten die Firmen pro Stunde einen minimalen Lohn an die SS entrichten. Obwohl Reichsdeutschland dem Führer bereits als „Juden Frei“ gemeldet worden war, begann man jüdische KZ Häftlinge nach Deutschland an die Baustellen zu überführen. Der erste Transport erreichte am 18. Juni 44 den Bahnhof in Kaufering. In der Gleiskurve nach Landsberg errichtete man das erste von insgesamt 11 KZ-Lagern. Nach neuester Forschung wurden ca. 20.000 Häftlinge von Juni 44 bis April 45 in die Lager gebracht und mussten da unter unmenschlichen Bedingungen hausen. Ernährung, Bekleidung und Arbeitsbedingungen waren unzureichend bzw. dienten der Maxime „Vernichtung durch Arbeit“. Mehr als 8.500 von ihnen starb während dieser Zeit unter den qualvollen Arbeitsbedingungen an Erschöpfung, Hunger und Krankheiten. Die heutigen Spuren – KZ-Friedhöfe und KZ-Lager-Gedenkplätze zeugen von dieser grausamen Praxis.
Den unterirdischen Flugzeugfabriken oblag ein Grundgedanke. Bei 100.000 m³ Produktionsfläche wäre der Bau eines kompletten Flugzeuges einschließlich Motoren möglich. Dies entsprach bei einem Bau mit 5 Etagen einer Länge von 400m. So waren auch die Planungen für die drei Bunker ausgelegt. Im Spätsommer 44 entschied das Reichsluftfahrtministerium welche Flugzeuge in Landsberg gebaut werden sollten (Do 335 Nachtjäger, Ta 152 Jäger sowie Me262 Düsenjäger). Im Herbst wurde festgelegt das Messerschmitt mit der Me262 Produktion in den Bunker Weingut II einziehen sollte. Die für dieses Flugzeug benötigten Düsentriebwerke wurden von BMW München geliefert und somit konnte der Bunker auf eine Länge von 300m reduziert werden.
Der Bunker wurde mittels einer revolutionären Methode gebaut. Im ersten Schritt wurde ein Kiesentnahmetunnel errichtet auf dem der Aushub für die Widerlager gehäuft wurde. Im Schritt zwei wurden die Widerlager (16m tief und 8m hoch) betoniert und anschließend der 3m dicke Gewölbebogen (Segment). Im Schritt 3 wurde über den Entnahmetunnel der stützende Kies entfernt und im letzten Schritt wurde mittels Fertigbetonteilen der fünfstöckige Innenausbau begonnen. So wuchs der Bau von Nord nach Süd. Der Bunker hatte an der Basis eine breite von 83m und eine Höhe von 25m. Das erste Segment hatte eine Länge von 33m das zweite eine von 40m gefolgt von 8 Segmenten von je 20m. Insgesamt wurden 233m bis zum 21.April 45 fertig gestellt.
Nach dem Krieg wurde der halbfertige Bunker von den Amerikanern als Sprengplatz, für auf dem Gelände gelagerte US-Bomben genutzt. Diese Sprengungen veranlassten die Bevölkerung an misslungene Versuche der Amerikaner zu glauben den Bunker zu sprengen. Im Jahr 1959 wurde der Bunker von der Luftwaffe übernommen und zur Lagerung von der Fliegenden Bombe „MATADOR“ umgebaut. Hierzu wurde aus der vorhandenen Hülle die bereits vorhandenen Ausbauten entfernt und ein neuer Bunker eingebaut. Kurz vor der Fertigstellung wurde von der Bundesregierung beschlossen auf das Waffensystem „MATADOR“ zu verzichten und stattdessen die Rakete „Pershing“ zu beschaffen. Der Bunker wurde von nun an zur Lagerung von Versorgungsartikel sowie Instandsetzung von Flugzeug Elektronik genutzt.
Die Führung ging über 5 Etagen bis zur ursprünglichen (im Originalzustand erhaltenen) Bunker-Nordwand die nach der Fertiggestellten Nato-Anlage (Bunker im Bunker) so belassen wurde. Danach wurde auch der Ausstellungssaal im 3. Tiefgeschoss besichtigt, in dem begonnen durch die Landsberger Schulklasse (9/10b – 1994/95) des Ignaz-Kögler-Gymnasiums, unter der damaligen Projektleiterein – Frau Barbara Fenner („Wir machen ein KZ sichtbar“), sowie anschließend von der Klasse 9N im Jahre 1999 überarbeitet, eine endgültige Ausstellung in der Welfenkaserne zur Besichtigung durch die Öffentlichkeit übergeben wurde. Dieses Engagement in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr wurde auch durch den Förderpreis „Demokratisches Handeln“ im Jahre 2000 ausgezeichnet.
Am Abschluss dieser Führung fand noch ein Mittagessen in der Bundeswehrkantine statt, wo mit etwas verbliebener Zeit noch weitere Fragen zu den besichtigten Objekten gestellt werden konnten.Das Nachmittagsprogramm gestaltete im Anschluss die Reiseleiterin Frau Barbara Fenner durch verschiedene Plätze der Landsberger Geschichte zum Reisethema des Tages. Besichtigt wurden u.a.:
- (von außen) der Haupteingang der Justizvollzugsanstalt (JVA) Landsberg, in der u.a. auch Adolf Hitler (1920-23) einsaß und dort seine literarische Rechtfertigung zur Praxis der NS-Zeit in Buchform realisierte. Zur Berichtigung sei hier gesagt, dass die sogenannte „Festungshaft“ (1923/1924) durch die NS Propaganda stilisiert wurde, da die JVA, nur ein (1908) im klassizistischen Jugendstil- errichtetes Gebäude, und keine Festung war. Dieses Gerücht kam erst auf, verursacht durch den Fotograf Heinrich Hoffmann, als er Hitler 1934 in Landsberg vor dem mittelalterlichen „Bayertor“ (zinnenbewehrtes Osttor der Landsberger Stadtmauer) fotografierte, und mit seiner Bildunterschrift („Hitler verlässt nach sechsmonatiger Haft die Festung Landsberg) publizierte.
- Im Gegensatz zu den milden Haftbedingungen Hitlers während seiner Haft in Landsberg, litten unter dem NS-Regime politische Gefangene unter unsäglichen Haftbedingungen, u.a. auch der Münchner – Pater Rupert Mayer (1938 in Landsberg für die Gefangenenkartei fotografiert), wegen seiner Predigten gegen die nationalsozialistische Unmenschlichkeit.
- (Umzäunte) Dimension des ehemaligen KZ-Außenlagers Kaufering VII (heute Gedenkstätte/Erpfting; im Besitz der Bürgervereinigung zur Erforschung der Landsberger Geschichte)
- Der zum AL Kaufering VII, zugehörige KZ-Friedhof (im Erpftinger Wald)
- Der Friedhof an der Spöttinger St. Ulrichskapelle (erstmals erbaut 735 n.Chr.) zählt sie zu den ältesten Bauwerken Landsbergs/Lech. Beerdigt liegen hier Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, Verstorbene verschiedener Glaubensbekenntnisse und Nationalitäten, sowie insbesondere Personen die nach 1945 als nationalsozialistische Kriegsverbrecher zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden. Im Jahre 1984 für Beisetzungen geschlossen, wurde dieser 2003 entwidmet. Auskünfte über die Historie des Friedhofs sind über die Justizvollzugsanstalt (JVA) Landsberg/Lech zu erhalten.
Nach diesem Besuch endete die offizielle Tagesführung, organisiert durch den Historischen Verein Landsberg/Lech.
Die gesammelten Eindrücke des Tages habe ich mit einem persönlichen Besuch der KZ Gedenkstätte des ehemaligen Lagers III in Kaufering (heute inmitten eines Kleingartenvereines), der Gedenkstätte am Bahnhof Kaufering, sowie den KZ Friedhof Marienhof an der Iglinger Strasse, abgerundet.
„Durch Tod zum Leben“ – Tod und leiden mahnen zum Frieden ! Im stillen Gedenken an diese grauenvollen Zeitspanne, verneigen wir uns vor dem unsagbaren Opfer und Leiden dieser Menschen. Mögen wir sie niemals vergessen, und uns durch unser Leben und waches Bewusstsein im persönlichen und gesellschaftlichen Leben als Gestalter der Zukunft einer „gemeinsamen Menschheitsheitsfamilie“ angehörig fühlen !Dem historischen Verein für Stadt und Kreis Landsberg am Lech e.V., der Vereinspräsidentin, Frau Sigrid Knollmüller, sowie allen Organisationbeteiligten dieses ausserordentlichen Tagesprogrammes nochmals herzlichen Dank für diese „historische“ Führung in und um Landsberg.
gez. Alfred Platschka
(Webadmin: www.Lechrain-Geschichte.de)
Literaturquellen/Hinweise
- Persönliche Recherchen von Obst.-Lt. Dipl-Ing. (FH) Gerhard Roletschek (Wikipedia) digitale Enzyklopädie
- Edit Raim. Landsberger Geschichtsblätter
- B. Fenner. „Wir machen ein KZ-sichtbar“ Katalog zur Schüleraustellung in der Welfenkaserne. Barbara Fenner Verlag, Hofstetten 2000 ISBN 3-8980 4362-1-7:
- W. Meier: Der Bahnhof Kaufering im „Dritten Reich“ (Landsberger Geschichtsblätter 2010)
- B. Fenner: Erinnerung an Col. L.Heymont (Landsberger Geschichtsblätter 2010)
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